Warum sind in Mac OS X 10.6 und 10.7 die Festplatten plötzlich größer ?

Nach dem Wechsel von Mac OS X 10.5 auf Snow Leopard oder Lion stellen viele User verblüfft fest, daß sich die Kapazität ihrer Festplatte vergrößert hat. Eine Terabyte-Platte ist nun nicht mehr nur 931 Gigabyte groß, sondern, wie es sich doch eigentlich auch gehört, knapp 1000 Gigabyte. Eine kleine Differenz ist immer noch vorhanden – sie ist aber kaum noch der Rede wert. Endlich steht auf einer formatierten Platte auch genausoviel Platz zur Verfügung, wie man eigentlich gekauft hat… oder doch nicht ? Wie kommt diese wundersame Plattenvergrößerung zustande ?

Dual, Oktal und Dezimal

In Wirklichkeit verändert sich der reale Platz auf der Festplatte natürlich nicht. Das kann man sehr leicht feststellen, indem man eine externe Platte an einen Windows-Rechner oder an einen Mac mit einem älteren System anschließt und die Größe überprüft. Windows, UNIX, 10.4 und 10.5 zeigen nach wie vor 931 GB an. Nur in 10.6 und 10.7 ist die Platte über 999 GB groß. Seit Mac OS X 10.6 rechnet der Finder einfach nur anders – nämlich auf dieselbe Art, wie es auch die Festplattenhersteller schon immer tun. Kernpunkt der Verwirrung sind verschiedene Zahlensysteme.

Daß es unterschiedliche Zahlensysteme gibt, ist den meisten von uns nur selten bewußt. Wir betrachten das Dezimalsystem schon fast als eine Art Naturkonstante – bis auf wenige Ausnahmen durchzieht es alle Bildungsbereiche, und mit anderen Systemen kommt man im Alltag kaum in Berührung.

Dabei ist das Dezimalsystem nur ein Zahlensystem unter vielen. Von einigen Zahlensystemen hat wohl fast jeder schon mal gehört: Dualsystem, Oktalsystem oder Hexadezimalsystem. Das alles sind Stellenwertsysteme, die auf jeder Zahl aufgebaut werden können, die größer oder gleich 2 ist. Darüber hinaus gibt es auch noch Zahlensysteme, die völlig anders aufgebaut sind, zum Beispiel Additionssysteme (wie das der alten Römer) und Hybridsysteme.

Computer sind, abweichend von unseren alltäglichen Erwartungen, bekanntlich nicht im Dezimalsystem angesiedelt, sondern basieren auf dem Dualsystem. Als User muß es uns normalerweise nicht unbedingt interessieren, in welchem Zahlensystem die Dinger arbeiten – Hauptsache, die Ergebnisse werden in unserem vertrauten Dezimalsystem dargestellt. Und in der Regel klappt das ja auch, obwohl es in der Computerhistorie immer wieder mal Abweichungen gab und beim Umrechnen oder beim Auf- und Abrunden teils verhängnisvolle Fehler auftraten.

Kilo, Mega und Giga

Die Bezeichnungen Kilo, Mega, Giga und so weiter gibt es allerdings sowohl im Dezimal- als auch im Dualsystem, und daher kommt die Differenz: Im Dezimalsystem bedeutet Kilo „10 hoch 3“, im Dualsystem „2 hoch 10“. Das Ergebnis ist einmal 1000, das andere Mal 1024.

Zu Beginn der Computerentwicklung lagen die Dual- und Dezimalwerte von Speichergrößen noch sehr nah beieinander. Der Begriff „Kilo“ als Einheit für „Tausend“ war den Menschen außerdem sehr geläufig, und so hat man die Werte einfach gleichgesetzt. Die 2,4 Prozent Differenz waren ja auch kaum der Rede wert.

Leider ist diese Differenz nicht statisch, sondern sie wächst auch prozentual mit der Größe. Bei einem Terabyte zum Beispiel (also „10 hoch 12“ bzw. „2 hoch 40“) sind es schon fast 10 Prozent, und da wird es dann schon langsam ärgerlich.

Die von den Festplattenherstellern im Dezimalsystem angegebene Größe 1 TB entspricht im Dualsystem (und so rechnete das Betriebssystem bisher) eben nur ca. 931 GB. Das ist die Menge an dualen „Ein / Aus“-Informationen, die das Betriebssystem auf die Festplatte schreiben kann – daran ändert auch die Angabe in den neueren Versionen von Mac OS X nichts. Die Zahl ist eine reine Finder-Angabe, die an die (eigentlich falsche) Größenangabe der Plattenhersteller angeglichen ist. Rein technisch ist alles genauso geblieben wie vorher.

Auch die Angaben für die Größe von Dateien und Ordnern verändern sich durch das abweichende Zahlensystem. Das kann durchaus auch mal dazu führen, das ein Ordner von 950 GB aus einem Unix- oder Windows-System nicht auf eine Festplatte mit freien 980 GB auf einem Mac-System paßt.

Kibi, Mebi und Gibi

Die IEC (International Electrotechnical Commission) hat sich des Problems schon angenommen. Es wurde festgelegt, daß im Dezimalsystem alles so bleibt, wie es ist. Angaben im Dualsystem allerdings heißen jetzt nicht mehr Kilo, Mega und Giga, sondern Kibi, Mebi und Gibi. Das „bi“ soll den Zusammenhang mit dem binären System erkennbar machen. Die Größe von Festplatten müßte also korrekterweise eigentlich in Kibibyte, Mebibyte oder Gibibyte angegeben werden – außer Fachleuten benutzt diese eigentlich richtigen Begriffe aber noch niemand.

Die neuen Maßeinheiten sind außerdem auch nicht verbindlich vorgegeben. Daher bleibt im Moment erstmal noch alles beim Alten, und die Festplattenhersteller verkaufen uns weiterhin eine Terabyte-Festplatte (Dezimalsystem), obwohl nur 931 Gibibyte (Dualsystem) darauf passen. Apples Finder ist derweil auf die eigentlich unkorrekte Seite der Festplattenhersteller übergewechselt und rechnet die zur Verfügung stehenden Gibibyte in unsere vertraute Sprache um.

Irgendwann werden wir uns wohl doch umgewöhnen müssen. In der Größenordnung Petabyte (Pebibyte) beträgt die Differenz schon 12 Prozent, bei Yottabyte (Yobibyte) sind es über 20 Prozent. Dann wird es Zeit.

(b607/hr)

Screenshot: Wikipedia

Artikel und Links zum Thema:
Apple: Angabe der Speicherkapazität unter Mac OS X und iOS
cnet: Snow Leopard changes how file and drive sizes are calculated
Elektronik Kompendium: Speicherangaben und Übertragungsraten

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