Sollte ich die Festplatte meines Macs regelmäßig defragmentieren?

Insbesondere von Windows-Umsteigern werden wir öfter mal gefragt, ob es denn mit einem Mac auch nötig sei, die Festplatte regelmäßig zu defragmentieren, damit das System wieder schneller läuft. Aber auch viele Mac-Profis sind bei diesem Thema unsicher: Stimmt es wirklich, wie man manchmal hört, daß Mac OS X die Festplatte automatisch defragmentiert ? Oder läßt sich durch eine Defragmentierung mit entsprechenden Tools die Performance des Systems steigern ?

Wir haben uns einmal näher mit diesem Thema befaßt, und erstaunlicherweise lautet die Antwort auf alle Fragen: Nein !

Mac OS X defragmentiert zwar nicht im klassischen Sinne – aber trotzdem braucht man normalerweise keinen Gedanken daran zu verschwenden.

Was bedeutet eigentlich Defragmentieren ?

Defragmentieren bedeutet Ordnung schaffen. Ein guter Vergleich dafür ist ein Bücherregal.

Beispiel 1:
Sie kaufen Bücher stellen sie in irgendein Fach Ihres Regals – wo halt gerade Platz ist. Nach einiger Zeit brauchen Sie alle Karl May-Bände, die sich so angesammelt haben. Jetzt steht eines davon unten rechts, eines unten links das nächste eingeklemmt zwischen zwei Wälzern. Bis Sie das Gesamtwerk zusammengesucht haben, vergeht eine Menge Zeit.

Beispiel 2:
Danach sind Sie klüger: Dieses Hin und Her dauert viel zu lange ! Sie sortieren also alle Bücher neu, füllen jedes Regalfach schön auf und stellen alles, was thematisch zusammengehört, zusammen. Jetzt sind 3/4 des Regals leer, und das Zusammensuchen geht viel schneller. Problematisch wird es nur, wenn jetzt noch ein weiterer Karl May-Band dazukommt. Platz ist bei der engen Sortierung nicht mehr, also müßte man theoretisch alle Bücher hinter dem Karl May-Gesamtwerk verschieben oder das neue Buch unter Aufgabe der eigentlichen Ordnung hintenanstellen.

Beispiel 1 entspricht einer Dateiablage ohne jede Defragmentierung und Ordnung. So ähnlich legen viele Dateisysteme die Daten ab. Dadurch hat dann die Mechanik der Festplatte ordentlich zu tun, und das Zugriffstempo sinkt.

Beispiel 2 entspricht dem Zustand der Festplatte nach einer Defragmentierung. Alles ist schön ordentlich angeordnet – wenn doch nur nicht immer noch etwas dazu käme, oder mittendrin ein Buch aussortiert wird, das dann eine häßliche Lücke hinterläßt ! Jede Änderung erfordert eigentlich eine erneute Defragmentierung und Umsortierung eines Großteils der Daten. Schon eine kleine Änderung löst bei der nächsten Defragmentierung möglicherweise große Datenbewegungen aus. Und auch wenn die Laufwerke immer schneller werden – sowohl die Platten als auch die Datenmengen werden schließlich auch immer größer, und eine Defragmentierungszeit von über 12 Stunden ist keine Seltenheit.

Wie legt Mac OS X die Daten auf der Festplatte ab ?

Mac OS X puffert zu speichernde Daten erst einmal und überprüft, wieviel Festplattenplatz für die Dateien gebraucht würde. Dann sieht es auf der Platte nach, an welcher Stelle ausreichend Platz dafür vorhanden ist. Dort werden die die Daten dann abgespeichert. Auf diese Weise versucht das System immer, zusammengehörige Daten auch zusammenhängend abzulegen. Eventuell freie Stellen werden dabei zunächst einfach toleriert – Lücken, die durch das Löschen von Dateien entstanden sind, bleiben also erst einmal unangetastet.

Aber im Berufsleben einer Festplatte wird natürlich ständig etwas gelöscht, und wenn aller Platz beschrieben wurde, faßt das System die wieder frei gewordenen Plätze zusammen. Das ist viel schlauer, als jede Lücke sofort wieder zu beschreiben, denn vielleicht ist mittlerweile auch rechts und links von einer gelöschten Datei Platz durch Löschen freigeworden. So ergeben sich wieder relativ große, zusammenhängende freie Bereiche, in denen zusammengehörige Daten zusammen gespeichert werden können. Eigentlich also eine möglichst intelligente Art, die Daten abzulegen und sich dadurch eine echte Defragmentierung zu sparen.

Für die Arbeitsweise von Mac OS X ist es sehr wichtig, daß viel freier Platz auf der Festplatte zur Verfügung steht. Wenn möglich, sollten 20%, besser noch 30% der Platte immer freibleiben. 10% sind das Minimum. Sonst entstehen auch bei Mac OS X sehr fragmentierte Strukturen, und auch ein späteres Freiwerden von Plattenplatz kann diese Strukturen nicht mehr auflösen.

Fragmentierte Festplatte vs. fragmentiertes Verzeichnis

Fragmentierung kann an verschiedenen Stellen auftreten, nicht nur bei den physikalischen Daten auf der Festplatte. Auch die Verzeichnisstrukturen eines Volumes können fragmentieren. Das kann man sich in etwa so vorstellen (um noch einmal den Bücher-Vergleich zu bemühen), als sei das Inhaltsverzeichnis eines Buches zwar sachlich richtig, aber die Seiten sind durcheinandergeraten. Viele Einträge sind durchgestrichen, überall stehen Verweise auf andere Stellen. Dieses Problem beheben z. B. Programme wie DiskWarrior, die mit „Defragmentieren“ nicht das Sortieren und Verschieben der Dateien auf der Platte, sondern den Neuaufbau des Inhaltsverzeichnisses bezeichnen. Weitere Infos dazu hier.

Defragmentiert Mac OS X die Festplatte automatisch ?

Wie arbeitet Mac OS X nun wirklich – führt es tatsächlich automatisch eine „echte“ Defragmentierung durch, indem es Dateien auf der Festplatte verschiebt ?

Die Antwort lautet: Ja und Nein.

Das System prüft bei Dateien, die fragmentiert sind, folgende Parameter ab:
– Ist die Datei an mehr als 8 verschiedenen Stellen gespeichert ?
– Ist die Datei kleiner als 20 MB ?
– Ist die Datei gerade nicht in Gebrauch ?
– Ist die Datei nicht Read-only ?
– Ist der letzte Systemstart mehr als 3 Minuten her ?
Wenn das alles zutrifft, wird die Datei an eine andere Stelle verschoben (reallocated) und zusammenhängend abgelegt.

Hier mischt das System also eine echte Defragmentierung mit einer intelligenten Ablage. Insbesondere kleine Dateien, die oft verändert werden (wachsende Dokumente) werden hier berücksichtigt – ein wichtiger Bestandteil einer gleichbleibend guten Systemperformance. Diese Teil-Defragmentierung ist schnell erledigt und stört den Anwender nicht bei der Arbeit. „Hot File Clustering“ nennt Apple dies Verfahren. Darüber hinaus werden bei Änderungen an sehr kleinen Dateien nicht die Änderungen an die Datei angehängt, sondern gleich die ganze Datei an einer zusammenhängende Stelle auf der Platte neu geschrieben.
Eine komplette Defragmentierung würde nicht nur Dateiteile zusammenführen, sondern darüberhinaus auch bestehende Daten so umorganisieren, daß alle freien Bereiche ebenfalls zu einem großen freien Bereich zusammengelegt werden. Dementsprechend lägen auch alle Daten in einem großen Bereich eng, kompakt und sortiert zusammen. Dies macht das Mac OS definitiv nicht.

Auf dem Startvolume wendet Mac OS X eine weitere Technik an, um einen Verlust an Systemperformance durch Fragmentierung zu verhindern: Im schnellsten Bereich des Startvolumes werden 0,5% des Plattenplatzes reserviert. In einer Tabelle wird Buch darüber geführt, welche Dateien wie oft benötigt werden. Die am häufigsten benötigten Dateien werden dann in diesen Bereich, der „Hot-Band“ genannt wird, übertragen und dort auch ständig defragmentiert. Das „Hot-Band“ ist auf insgesamt maximal 5000 Dateien beschränkt, von denen keine größer als 10 MB ist.

Alle anderen Daten werden von Mac OS X einfach möglichst intelligent abgelegt, und dieses Verfahren hat sich in der Praxis wunderbar bewährt. Freiwerdender Platz wird möglichst spät zu möglichst großen freien Bereichen zusammengefaßt, und so finden neu dazukommende Daten meistens ein komfortables und zusammenhängendes Plätzchen.

Wann ist es sinnvoll, die Festplatte mit zusätzlichen Tools zu defragmentieren ?

Auch beim Thema Defragmentierung gilt natürlich: keine Regel ohne Ausnahmen. Werden sehr häufig sehr große Dateien wie zum Beispiel Filme auf die Platte geschrieben, kopiert und wieder gelöscht, entstehen auf die Dauer freie Bereiche, die nicht mehr groß genug sind. Irgendwann ist eine neue Datei dann größer als die freigewordene Lücke, und das potenziert sich.

In solchen Fällen, oder auch bei Leistungsanforderungen im Extrembereich, wo wirklich jedes bißchen Leistung zählt, kann man auf kommerzielle Tools wie iDefrag, Drive Genius oder TechTool Pro zurückgreifen. Außer bei iDefrag ist die Defragmentierung allerdings nur eine Nebenfunktion, den Schwerpunkt bilden allerlei Prüfungen, Speedtests etc. – das zeigt auch den Stellenwert der Defragmentierung in der Mac-Welt.
Vor der Defragmentierung einer Platte mit einem solchen Tool sollte man übrigens unbedingt eine Datensicherung machen !

Ein anderer, oft genauso schneller Weg führt über Cloning-Tools wie Carbon Copy Cloner oder SuperDuper: Den gesamten Inhalt des Volumes auf mindestens eine Sicherungsfestplatte klonen. Dann die Originalplatte komplett löschen und alle Daten wieder zurückklonen. Beim Zurückschreiben werden die Dateien schön hintereinander auf die Platte geschrieben – optimaler kann auch kein Defrag-Tool arbeiten. Defragmentiert, bzw. neu angelegt werden auch die zuvor fragmentierten Verzeichnistabellen.

In der Praxis haben wir uns den Zustand einiger mit Mac OS X laufenden Festplatten angesehen: auch mehrjährig intensiv genutzte Platten sind meist kaum fragmentiert. In solchen Fällen kostet eine Defragmentierung viel Zeit und Nerven, bringt einen geringfügigen Platzgewinn auf der Platte und eine kaum merkliche Performancesteigerung – hat also eigentlich keine Vorteile. Ausnahmen bilden solche Platten, auf denen ständig sehr große Dateien zwischengespeichert und wieder gelöscht werden, oft bis die Platte komplett voll ist. Hier ist eine deutliche Fragmentierung sichtbar, und eine Defragmentierung würde etwas Platz schaffen und etwas mehr Performance bringen.

Vorsicht beim Einsatz von Tools !

Insbesondere bei der Defragmentierung des Startvolumes sollte man beim Einsatz von Tools äußerst vorsichtig sein: Ein Defragmentierungstool kann nämlich schlimmstenfalls den oben angesprochenen „Hot-Band“ Bereich beeinflussen und ihn quasi „wegdefragmentieren“ (mit iDefrag passiert das nicht mehr). Das ist für die Performance kontraproduktiv. Das Hot-Band wird dann dauerhaft ausgeschaltet. Auch Cloning-Tools können bei unterschiedlichen Plattengrößen diese „Hot-Band“-Bereiche verändern. Schlechte Tools verschieben gelegentlich auch die Systemdateien vom schnellen Plattenanfang an eine andere Position – zum Beispiel wenn Sie sich alphabetisch durch die Verzeichnisstruktur arbeiten. Auch das ist wenig hilfreich für ein performantes System.

Im Zweifelsfall sollte man also lieber auf „Bordmittel“ zurückgreifen: Platte formatieren, System neu installieren und den Benutzer samt Daten und Einstellungen vom Clone oder Time Machine-Backup übertragen.

(b417/hr)

Artikel und Links zum Thema:
Coriolis Systems: iDefrag
Prosoft Engineering: Drive Genius
Micromat: TechTool Pro
Bombich Software: Carbon Copy Cloner
Shirtpocket: SuperDuper!
Wikipedia: HFS plus
Apple Developer: HFS Plus Volume Format
Apple: About disk optimization with Mac OS X
RAW Computing: 7 disk defragmenters to boost performance
MacAttorney: More On Defragmenting Your Hard Drive
Mac OS X Internals: Fragmentation in HFS Plus Volumes
Hirnkastl: Festplattenoptimierung ist Zeitverschwendung (Übersetzung eines schon älteren Artikels von David Shayer)
 
  1. wolf47 vor 11 Jahren

    Betrifft: das Hot-Band : Ich benutze Carbon Copy Cloner (CCC) als Cloning-Tool. Einerseits als Alternative wie im vorletzten Absatz beschrieben – empfohlen. Im letzten Kapitel wird aber vor Cloning-Tools gewarnt, die evtl. das Hot-Band negativ beeinflussen könnten (ich meine hier das Zurückclonen auf ein zuvor gelöschtes Startvolume zwecks Defragmentierung).
    Frage: Trifft das auch auf CCC zu – liegen da Erkenntnisse vor ?? Danke voraus für eine Antwort.

    • tiramigoof vor 11 Jahren

      Hallo wolf47, das kann ich Dir aus dem Stegreif leider nicht beantworten… ich gebe die Frage nächste Woche mal an den Kollegen weiter. Spricht bei Dir etwas dagegen, zum Klonen einfach das Festplattendienstprogramm zu benutzen ? Das hat sich bei uns in letzter Zeit sehr gut bewährt.
      Grüße und frohes neues Jahr :-) Anette

  2. wolf47 vor 11 Jahren

    Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Ich werde mal das Festplattendienstprogramm für diesen Zweck benutzen. Aber sollten über CCC in dieser Frage demnächst Erkenntnisse vorliegen schon mal danke für eine Antwort.
    Nebenbei: Eure Artikel sind sehr sehr hilfreich. Schön, daß Ihr neben Eurer Hauptarbeit soetwas leistet !!
    Das findet man nicht oft. Danke dafür und ein erfolgreiches 2013.
    Grüße von wolf47

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