Adobe Creative Cloud: Gibt es ein Leben nach dem Abo ?

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Nun ist es also passiert: Adobe stellt die Creative Suite als Kaufprodukt ein. Nachfolger ist die „Adobe Creative Cloud“, die man nicht mehr als zeitlich unbegrenzte Lizenz kaufen, sondern nur noch gegen eine monatliche Gebühr mieten kann. Was bedeutet das für die Anwender ? Ein paar Rechenbeispiele, Anmerkungen und offene Fragen.

Vorsicht, Mißverständnis !

Zuerst die Klarstellung eines Begriffes, der in vielen Foreneinträgen und Leserbriefen zu Mißverständnissen geführt hat. Das Produkt nennt sich zwar „Creative Cloud“ – das bedeutet aber nicht, daß die Produkte nur online benutzbar sind. Die benötigten Programme werden ganz normal auf dem Rechner installiert, müssen sich allerdings mindestens einmal im Monat bei Adobe zurückmelden. Passiert das nicht, sind die Produkte nicht mehr nutzbar. Noch ist unklar, nach wievielen Tagen bei nicht erfolgter Rückmeldung die Programme unbrauchbar werden. Zumindest anfangs wird Adobe voraussichtlich großzügig mit dieser Thematik umgehen. Teilweise ist von 180 Tagen die Rede. Langfristig wird das aber vermutlich zeitnaher geregelt werden.

Der Beiname „Cloud“ bezieht sich auf zum Produkt gehörigen Webspace und einige Tools, um damit optimal arbeiten zu können. Zum Beispiel das zur Verfügung stellen von Dokumenten für Kunden als Alternative zum Versand per Email oder FTP. Ebenfalls möglich ist das Teilen dieses Webspaces mit einem Team oder der Austausch von einem Rechner zu einem anderen.

Zumindest in Deutschland wird dieses Teilen von Daten – möglicherweise sogar von Kundendaten – in der Cloud zur Zeit eher kritisch gesehen.

Kosten und Rechenbeispiele

Aber zurück zu den direkten Auswirkungen, die Adobes neue Politik mit sich bringt.

Als erstes gibt es natürlich einen finanziellen Aspekt. Bisher mußte man einmalig für viel Geld eine Lizenz erwerben, die man dann für immer noch verhältnismäßig viel Geld updaten konnte oder seit einigen Jahren auch updaten mußte, um eben diese Updatefähigkeit nicht zu verlieren.

Schon in den vergangenen Jahren ist Adobe dazu übergegangen, auch die kleinen Updates kostenpflichtig zu machen.

In der Praxis war also zum Beispiel für die Creative Suite Standard zum Kaufpreis von ca. 1.500,- Euro jedes Jahr ein kleines Update für etwa 300,- Euro oder alle zwei Jahre zwingend ein großes Update für etwa 600,- Euro fällig. Wer dabei geschickt vorging, konnte mit Hilfe der sogenannten Grace Period etwa 3,5 Jahre mit einem großen Update über die Runden kommen und zum Beispiel das Update von Version CS4 auf Version CS5 erst bei laufender Grace Period für die CS6 durchführen.

In Zukunft gibt es nur noch die Creative Cloud, bei der in jedem Fall ein monatlicher Betrag fällig wird.

In Zahlen: Wer z.B. die Creative Suite 4 Design Standard für 1.500,- Euro neu kaufte und jedes Update mitmachte, zahlte in 4 Jahren ca. 1.200,- Euro für Updates und war dann auf Version CS6. Wer alle Möglichkeiten ausnutzte, kam auf nur etwa 600,- Euro Updatekosten. Innerhalb der ersten 4 Jahre zahlte man also 2.100,- bis 2.700,- Euro. Danach fielen dann nur noch Updatekosten an.

Legt man das gleiche Szenario für die Creative Cloud zugrunde, kommt man auf etwa 72,- Euro pro Platz und Monat für die Teams Version. Unterm Strich sind das etwa 865,- Euro pro Jahr und Platz. Oder – verglichen mit den 4 Jahreskosten im obigen Beispiel – 3.460,- Euro in 4 Jahren.

Wer braucht wirklich die Master Collection ?

Im Gegenzug bekommt man natürlich auch mehr. Nicht nur den Webspace mit Werkzeugen, sondern auch deutlich mehr Programme. Neben den Klassikern Acrobat, Photoshop, Illustrator und Indesign sind auch Dreamweaver, After Effects, Premiere, Muse, Flash, Lightroom und weitere Programme enthalten. Man kann also von Bildbearbeitung über Grafik und Satz auch Webseiten erstellen, Filme und Musik professionell bearbeiten. Das ist mehr als der Umfang der bisherigen Master Collection.

Aber: man muß auch dann dafür zahlen, wenn man viele dieser Programme gar nicht benötigt.

Würde man heute eine neue Master Collection kaufen, wären etwa 3.000,- Euro fällig, und auch die Updates wären deutlich teurer. Für Anwender, die eine Master Collection benötigen, ist also das Creative Cloud-Modell keine schlechte Alternative, insbesondere, da die Hürde für den erstmaligen Lizenzerwerb wegfällt.

Finanziell liegt aber gerade hier das Problem. Ein Großteil der Anwender muß für Programme bezahlen, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Daß man auch einzelne Produkte mieten kann, ist preislich keine Alternative.

Marktbereinigung ?

Wer sich schon einmal Gedanken über Adobes beherrschende Marktposition gemacht hat, dem sollte auch der geschickte Schachzug bei der neuen Politik auffallen. Denn wenn fast alle Anwender sowieso schon Adobes Programme für Webdesign und Entwicklung, Filmschnitt und Bearbeitung und anderes bezahlen, werden sie bei Bedarf diese Produkte auch nutzen. Nach einer gewissen Zeit könnte der Markt auch in diesen Bereichen zugunsten von Adobe bereinigt und viele andere Anbieter verdrängt sein.

Workflow, Versionen und das Leben nach dem Abo

Ein anderer, ungeklärter Punkt ist die Verfügbarkeit von klar abgegrenzten Versionen, was bisher für den Austausch von Daten wichtig war. Soweit wir es bisher verstanden haben, soll es in Zukunft ja keine Versionen mehr geben. Stattdessen fließen Weiterentwicklungen der Programme automatisch und ohne weitere Kosten dann ein, wenn sie fertig sind.

Für größere Unternehmen mit eingespielten Workflows ist das kaum vorstellbar. Die werden keinesfalls jedes automatische Update einspielen und das Funktionieren eines bewährten Workflows riskieren. Und wie identifiziert man dann einen Releasestand, wenn man mit anderen zusammenarbeiten und Dokumente austauschen muß ? Was passiert, wenn die nächsten Updates andere Hardwarevoraussetzungen haben ? Kommt dann eine Meldung, die einen auffordert, einen neuen Rechner zu kaufen ?

Gerade für die Zusammenarbeit waren klare Versionsabgrenzungen sehr hilfreich. Wie das mit der CC funktionieren wird, ist noch unklar.

Ebenfalls ungeklärt ist die Möglichkeit, eigene Dokumente auch dann noch öffnen oder bearbeiten zu können, wenn man sein Abo nicht verlängert. Bisher erwarb man eine zeitlich unbegrenzte Softwarelizenz – in Zukunft ist das Öffnen älterer, eigener Dokumente nur noch bei laufendem Abo möglich. Eine ziemlich gruselige Vorstellung.

Wie geht es weiter ?

Wie sich das Arbeiten mit der Creative Cloud in der Praxis bewährt, muß sich erst noch zeigen. Zur Zeit entscheiden sich viele Kunden für ein Update auf die noch verfügbare Version CS6, um dann in Ruhe die weitere Entwicklung abzuwarten. Adobe hat noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um das Abo-Modell zu etablieren und die für viele Anwender deutlich höheren Kosten zu rechtfertigen. Ansonsten könnte der CS6 eine sehr lange Zukunft beschieden sein.

(b680/hr)

Artikel und Links zum Thema:
Jetzt upgraden oder zocken ? Adobes Upgrade-Politik, die „Grace Period“ und die Creative Suite 6.
Wie kann ich herausfinden, wieviele Adobe Volumen-Lizenzen ich besitze ?
Adobe InDesign beschleunigen: Tempo-Tipps für InDesign CS5
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Screenshot: Adobe
 
  1. ebi vor 8 Jahren

    Hallo, vielen Dank für die Info.
    Ich habe das für mich mal durchgerechnet und ein 10Jahres Zeitraum gewählt. In der Zeit hatte ich die CS und benutzte davon nur InDesign und Photoshop. PS habe ich fast immer aktualisiert, ID nicht, da ich es nur sehr marginal nutze – aber doch brauche.
    Hätte ich in der Zeit das CC genutzt hätte ich rund 3.500,00 mehr gezahlt als bei der Kauf-Variante mit Aktualisierungen.
    Inzwischen gibt es sowohl für PS als auch für ID sehr gute Alternativen (VivaDesigner, Scribus, Gimp, …); ein Abo werde ich nicht eingehen.
    Gruss Ebi

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