Schriften-Lizenzierung für Print und neue Medien

Es begann mit einer harmlosen Kundenanfrage: Darf man als Besitzer einer umfangreichen Mehrfachlizenz der „Neuen Helvetica“ diese Schrift auch für den eigenen Webauftritt verwenden ? Wir stellten fest, daß wir es nicht wußten, und gingen auf die Suche nach Informationen.

Nach der Recherche waren wir zwar klüger, aber ziemlich verwirrt. Fest steht: Es gibt nur wenige Dinge, die rechtlich so undurchschaubar sind wie der korrekte Gebrauch von Schriften. Fast jeder Schriftenhersteller hat eigene Lizenzbedingungen, und sogar Gerichte und Fachleute sind sich bei diesem Thema oft nicht einig. Im Fall der „Neuen Helvetica“ von Linotype stellte sich heraus, daß eine Printlizenz definitiv NICHT dazu berechtigt, die Schrift auch für Webseiten zu benutzen – schlimmer noch: Print- und Weblizenzen können noch nicht einmal beim selben Händler erworben werden. Printlizenzen gibt es bei fontshop.de, Weblizenzen bei fonts.com. Alles klar ?

GoogleFonts

Hier eine kleine Zusammenfassung:

Schriften kann man nicht kaufen.

Mit Schriften verhält es sich ebenso wie mit Software: Man kann sie nicht kaufen. Kaufen kann man nur das Recht, sie zu benutzen. Und dieses Recht ist personalisiert. Es gibt also keine legale Möglichkeit, eine Schrift an jemand anderen weiterzugeben.

Beispiel: Ein Grafiker erstellt für einen Kunden ein Corporate Design. Er sucht dafür eine bestimmte Schrift aus. Rechtlich gesehen muß sowohl der Grafiker als auch der Kunde die Schrift lizenzieren. Der Kunde darf die Schrift nicht kaufen und dem Grafiker für die Erstellung des Corporate Design überlassen – oder umgekehrt.

Schriftlizenzen sind beschränkt.

Lizenzbedingungen für Schriften sind je nach Hersteller oder Lizenzinhaber sehr unterschiedlich geregelt. Verbreitet ist folgende Bestimmung: Eine normal lizenzierte Schrift für den Printbereich darf auf 5 Computern an einem geographischen Standort und auf einem Drucker installiert werden. Wer mehr Mitarbeiter oder Drucker versorgen will, benötigt eine erweiterte Lizenz.

Das muß aber nicht immer so sein. Eine mit einem Adobe-Softwarepaket erworbene Schrift darf z.B. nur auf einem einzigen Arbeitsplatz genutzt werden. Ebenso verhält es sich in der Regel bei Schriften, die zusammen mit dem Betriebssystem geliefert werden.

Bei vielen sogenannten Freeware- oder Shareware-Schriften gilt die Einschränkung: „Nur für privaten Gebrauch“. Eine solche Schrift darf man gewerblich nicht nutzen, bzw. man muß eine Lizenz für die gewerbliche Nutzung erwerben – man sollte sich die Lizenzbedingungen also immer sorgfältig ansehen.

Was darf ich mit einer lizenzierten Schrift tun ?

Grundsätzlich darf man mit einer Printlizenz Druckobjekte ohne Einschränkungen erstellen. Es ist kein Problem, mit einer einzigen lizenzierten Schrift beliebig viele Drucksachen für tausende von Kunden zu erstellen.

Kompliziert wird es immer dann, wenn die Schrift selbst den Arbeitsplatz verläßt, also in ein PDF eingebettet wird oder gar als Schriftenkoffer den Druckdaten beiliegt. Das Weitergeben der Original-Schrift ist fast immer verboten. Bei einigen Herstellern ist auch das Einbetten nicht oder nur teilweise erlaubt.

In den Lizenzbedingungen von Schriften werden vier verschiedene Berechtigungsstufen unterschieden:

1. Kein Einbetten erlaubt. Jegliches Einbetten ist vom Hersteller untersagt, auch in PDF-Dateien.

2. Einbetten nur zur Ansicht und zum Ausdrucken. Diese Form des Einbettens ist meisten erlaubt. Die Schrift wird dabei nicht vollständig eingebettet, sondern nur die benutzten Zeichen.

3. Editierbares Einbetten und 4. Schrift darf weitergegeben werden.
Diese Varianten sind fast immer untersagt.

Der Acrobat Distiller bietet die Möglichkeit, Schriften als Untergruppe in ein PDF einzubetten. Kommt also im Text ein großes „X“ nicht vor, wird es auch nicht eingebettet. Dadurch enthält das PDF nur die in dem Dokument tatsächlich benutzten Zeichen, aber nicht den kompletten Zeichensatz. Diese Form des Einbettens wird von der Mehrzahl der Schriftenhersteller geduldet.

Wo findet man die Informationen ?

LucidaGrandeAuf dem Mac kann man viele Informationen zu den installierten Schriften in dem Programm „Schriftsammlung“ ablesen. Wählt man eine Schrift aus und klickt dann oben links den Info-Button an, werden ausführliche Infos zu Eigentümer, Copyright und Lizenzbedingungen angezeigt. Nehmen wir mal als einfaches Beispiel die Lucida Grande:

Das Copyright liegt bei dieser Systemschrift nicht bei Apple, sondern bei Bigelow & Holmes. Natürlich ist die Schrift als Trademark geschützt. Eindeutig der Lizenzhinweis: Do not copy. Einbettbar: Ja.

Bei einzeln gekauften oder heruntergeladenen Schriften liegen die Lizenzbedingungen des Herstellers normalerweise als Textdokument der Software bei.

Die Grundbedingungen von etwa 150 Herstellern hat FontShop auf dieser Seite zusammengestellt.

Schriften und neue Medien

Insbesondere die Probleme mit dem Einbetten gab es zu Zeiten des reinen Druckhandwerks noch nicht. Das Verständnis für eine Schrift basierte noch auf dem Umgang mit traditionellem Schriftsatz: Man bezahlte für die Buchstaben in Blei, die dann gesetzt wurden. Was damit produziert wurde, unterlag keiner weiteren Einschränkung. Natürlich durfte und darf man Bücher beliebig verkaufen oder verschenken.

Aber die heutige Nutzung von Schriften auf Webseiten, Smartphones, Computern, Tablets und E-Books bringt jede Menge Probleme mit diesen Einbettungen mit sich, und die Schriftenhersteller halten hier gern und eigentlich immer die Hand auf.

Grundsätzlich kann man festhalten:

Im Bereich der neuen Medien fällt rechtlich gesehen für jede Schriftnutzung eine zusätzliche Gebühr an, und nichts ist mit einer normalen Printlizenz erlaubt.

Nutzung der Schrift auf einer Internetseite ? Extra lizenzieren. Kann der User selber Text eingeben, zum Beispiel eine Email schreiben ? Extra lizenzieren. Ist der Text in einem E-Book durchsuchbar ? Extra lizenzieren. Und so weiter und so fort. Und das bitte für jede Schrift einzeln, und zwar nach den Bestimmungen des jeweiligen Herstellers.

In aller Regel sind Lizenzen für die Nutzung im Netz deutlich teurer als eine herkömmliche Lizenz für 5 Rechner. Da geht es dann um Server CPUs, Anzahl der Seitenzugriffe und immer auch um die Art der Einbettung.

War das „Schriftenrecht“ schon seit Einführung von DTP-Arbeitsplätzen kompliziert und voller Fallstricke, so ist es im Zeitalter von Internet und modernen Medien eigentlich vollends undurchschaubar.

Mittlerweile gibt es zum Glück einige Möglichkeiten, sich bei der Verwendung von Schriften auch im Online-Bereich weitgehend abzusichern. Bei Font Squirrel findet sich eine große Auswahl an schönen und kostenlosen Schriften, die auch für kommerzielle Zwecke verwendet werden dürfen. Google Fonts listet mittlerweile über 600 Open Source-Schriften (aber auch hier: bei kommerzieller Verwendung immer die Lizenzbedingungen lesen !). Und wem das noch nicht genügt, kann auf verschiedene kostenpflichtige Angebote wie Adobes Typekit, Fontdeck, Fonts.com oder Web FontFonts von FontShop zurückgreifen.

(b672/hr)

FontSquirrel

Artikel und Links zum Thema:
Typografie.info: Artikelserie zu Schriftlizenzen
JISC Digital Media: Basic Guide to Font Licensing
FontShop: Die 10 Gebote für den legalen Schriftengebrauch
FontShop: End User License Agreement
Linotype: Übersicht Font Lizenzierung
Adobe FAQ: Lizenzierung von Adobe-Schriften
Adobe: Nutzungsrechte für Schriften
Typekit by Adobe: Preise für Webfont-Nutzung
Fontsquirrel
Google Fonts
Typekit by Adobe
Fontdeck
Fonts.com
Web FontFonts
 

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